Atelier Gespräch: Orpheus und Puppen – mythischer Urgrund der Oper

20. Jänner 2025, 18.00 Uhr
HS E.004, Unipark
Erzabt-Klotz-Straße 1
Univ.-Prof. Dr. Sabine Coelsch-Foisner im Gespräch mit dem Regisseur Nikolaus Habjan
Vorstellungen: 24.1. / 26.1. / 31.1.
Claudio Monteverdis L’Orfeo, 1607 im herzoglichen Palast in Mantua uraufgeführt, wird gemeinhin als ‚Ur-Oper‘ bezeichnet. Kein mythischer Held entsprach der um 1600 in Florenz neu entstandenen musikdramatischen Kunstform mit durchgängigem Gesang mehr denn der Halbgott Orpheus. Seine magische Sangeskunst überstrahlt die Klänge der Sirenen,
erwirkt die Erlaubnis der Götter, in die Unterwelt hinabzusteigen, und rührt Persephone und Hades. Doch Orpheus verliert Eurydike abermals, als er verbotenerweise nach ihr zurückblickt. Im Orpheus-Mythos erfährt die Oper ihre Legitimation, denn die Texte erzählten, wie Carolyn Abbate und Roger Parker festhalten, „Geschichten von Nymphen, Schafhirten und Halbgöttern, die in Zaubergärten oder fantastischen ländlichen Paradiesen lebten, Figuren, die so realitätsfern waren, dass man sich nicht wundern würde, wenn sie ihre Texte sangen.“ [1] Was liegt näher, als diese nicht-mimetische Kunstform mit Kunstwesen zu bestücken? Nach der Fadenpuppenproduktion und aufwendigen Maschinerie des Mailänder Marionettenensembles Carlo Colla e Figli bei den Pfingstfestspielen 2022, bietet die Mozartwoche 2025 nun mit einer gänzlich anderen Variante des Puppentheaters einen spannenden Gegenentwurf und ein weiteres ästhetisches Highlight dieser Sparte. Angelehnt an die gefeierte Inszenierung von Monteverdis L’Orfeo an der Semperoper Dresden (2023), versprechen Nikolaus Habjan (Regie), Rolando Villazón in der Titelrolle und Christina Pluhar (musikalische Leitung) mit ihrem Ensemble L’Arpeggiata eine originelle szenische Umsetzung dieser favola in musica sowie Kunstgenuss auf höchstem Niveau.
Das Atelier Gespräch gibt Einblick in die mythischen Wurzeln der frühen Oper, ihre Bedeutung für die Zeitreise der Mozartwoche 2025: „Destination Mozart!“, und den szenischen
Fokus auf das Verhältnis von Mensch und Puppe. In der Salzburger Spieltradition mag auch diese Ausrichtung eine Annäherung zwischen Mozart und Monteverdi andeuten, legte doch
eine Mozart-Oper den Grundstein für die Wiederbelebung der Opern-Puppenbühne.
[1] Carolyn Abbate und Roger Parker, Eine Geschichte der Oper: Die letzten 400 Jahre. München: C.H. Beck, 2013. 68-9
Atelier Gespräch: Der Freischütz: Romantische Schaueroper der Superlative

18. November 2024, 17.00 Uhr
HS E.004, Unipark
Erzabt-Klotz-Straße 1
Univ.-Prof. Dr. Sabine Coelsch-Foisner im Gespräch mit dem Regisseur Johannes Reitmeier und dem Musikalischen Leiter Leslie Suganandarajah
Vorstellungen: 2.11. / 9.11. / 15.11. / 24.11. / 28.11. / 30.11. / 4.12.
Carl Maria von Webers Oper Der Freischütz, 1821 in Berlin uraufgeführt, hat derzeit Hochkonjunktur auf den großen Opernbühnen. Als Schlüsselwerk der deutschen Romantik bietet sie brisante Anknüpfungspunkte an die Gegenwart. Das betriff sowohl Webers musikdramatische Überzeugungskraft als auch Friedrich Kinds Libretto. Ängste und sozialer Druck lasten auf dem Einzelnen, als die idyllische (und engstirnige) Ordnung eines böhmischen Dorfs kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg mit dem Fremden konfrontiert wird. In Gestalt eines (teuflischen) Verführers und Doppelgängers, der Sieg und Erfolg verspricht, macht sich das Unheimliche breit, und die Waldschlucht zur Geisterstunde liefert mit gespenstischem Chor und aufgeregt agierendem Orchester einen Paradeschauplatz für ein Schauer-Abenteuer der Superlative und ist zugleich Symbol für erschütternde Naturereignisse, die jenseits der menschlichen Kontrolle liegen. Die Beschreibung im Libretto ist paradigmatisch: bleicher Vollmond, stürzender Wasserfall, Blitzschlag, Nachtvögel, etc. In diesem Szenario gießt Max die magischen Freikugeln, die ihn dem Teufel ausliefern sollen.
Max liebt Agathe, die Tochter des Erbförsters, und sie liebt ihn, doch um sich ihrer würdig zu erweisen, muss er beim Probeschießen treffen. Da ihn das Jagdglück in letzter Zeit verlassen hat, wird er leichte Beute für Kaspar, der mit dem Teufel im Bund steht. Mit den gegossenen Freikugeln trifft Max, doch die letzte Kugel wird vom Bösen gelenkt. Es bedarf der Intervention höherer Mächte, um diese von Agathe auf Kaspar umzuleiten und die Liebe der beiden über gesellschaftliche Zwänge triumphieren zu lassen. Johannes Reitmeier, langjähriger Intendant des Innsbrucker Landestheaters und mit dem Österreichischen Musiktheaterpreis 2020 ausgezeichnet, inszeniert diese Paradeoper der deutschen Romantik in der Felsenreitschule.
Atelier Gespräch: FOKUS Fadenpuppe – Wink des Göttlichen, Garant unseres Menschseins oder animierter Müll?

anlässlich des 1. Festivals des Salzburger Marionettentheaters 24.-27.10.2024 zu seinem 111-jährigen Bestehen
23. Oktober 2024, 19.00 Uhr
Salzburger Marionettentheater
Schwarzstraße 24
Univ.-Prof. Dr. Sabine Coelsch-Foisner im Gespräch mit dem künstlerischen Leiter Philippe Brunner, dem Regisseur Thomas Reichert, dem Philosophen Dr. Aloysius Ventham
(Fachbereich Philosophie, Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Salzburg) und dem Philosophen und
Psychotherapeuten Univ.-Prof. Dr. Emmanuel J. Bauer (Fachbereich Philosophie, Kath.-Theol. Fakultät, Universität Salzburg)
Angesichts der langen Tradition des Salzburger Marionettentheaters und der Auszeichnung seiner Spieltechnik als immaterielles UNESCO Weltkulturerbe, verspricht das Puppets! Festival zum 111-jährigen Jubiläum ein hochkarätiges Highlight im Salzburger Kulturkalender. Mit WissenschaftlerInnen, Intendanz und Mitwirkenden des Festivals wirft das Atelier Gespräch brisante transdisziplinäre Perspektiven auf die Fadenpuppe im 21. Jahrhundert. Ausgehend vom platonischen Topos von der Drahtpuppe im Dialog Nomoi 716 und Kleists essayistischer Erzählung „Über das Marionettentheater“ (1810) werden Themen wie Identität, das Mensch-Maschine Verhältnis, die Dualität von Objekt und Subjekt, sowie die Freiheit des Menschen erörtert. Sind unsere ‚freien‘ Entscheidungen vielleicht nur Puppen an den Fäden genetischer und biologischer Mechanismen?
Die Ausstellungseröffnung zur Neuproduktion von Shakespeares Tragödie Romeo und Julia bietet zudem Anlass, die Praxeologie des illusionistischen Marionettentheaters zu befragen. Denn als Charakter ist die Puppe eine Illusion, und als fremdgesteuertes Objekt, dessen Bewegungen dennoch den Eindruck zweckgerichteter Handlungen erwecken, eine Herausforderung für Handlungstheorien. Wie wird in der Regie von Thomas Reichert das Verhältnis zwischen der Ökonomie der Marionette und der für die Tragödie erforderlichen Plausibilität verhandelt?
Sabine Coelsch-Foisner und Lisa Nais (Hg.), In the Beginning Were Puppets: Towards a Poetics of Puppetry, Wissenschaft und Kunst 39. Heidelberg: Winter, 2023
Emmanuel J. Bauer (Hg.), Freiheit in philosophischer, neurowissenschaftlicher und psychotherapeutischer Perspektive. München: Wilhelm Fink, 2007
Atelier Gespräch: Viva la Vida! Eine getanzte Hommage an Frida Kahlo anlässlich der Produktion Fridas Welt

In Kooperation mit dem Salzburger Landestheater
18. Oktober 2024, 17.00 Uhr
HS E.003, Unipark
Erzabt-Klotz-Straße 1
Univ.-Prof. Dr. Sabine Coelsch-Foisner im Gespräch mit dem Ballettdirektor und Choreografen Reginaldo Oliveira, der Dramaturgin Maren Zimmermann, dem Ausstatter Matthias Kronfuss, dem Manager der Ballettkompanie Armin Frauenschuh und dem Psychologen Univ.-Prof. Dr. Thomas Probst mit Team (Fachbereich Psychologie, Leiter der Abteilung Psychotherapie und Psychotherapieforschung, Universität Salzburg)
Vorstellungen: 19.10. / 23.10. / 26.10. / 17.12. / 4.1. / 8.1. / 14.1. / 15.1. / 21.1. / 9.2. / 13.2. / 14.2. / 16.5. / 29.5. / 30.5. / 5.6.
Einsam, tragisch, lebenshungrig – Frida Kahlo (1907-1954) ist die bedeutendste Künstlerin Mexikos und eine der faszinierendsten Frauen des 20. Jahrhunderts. An ihrem Frei- und Anderssein kommt keine kritische oder kreative Auseinandersetzung mit Frida Kahlos Werk vorbei. Ihre Bilder haben Kultstatus erlangt, ihre Biographie ist der Stoff, aus dem die Mythen sind: Als Kind erkrankte Frida Kahlo an Kinderlähmung; mit 18 erlitt sie bei einem verheerenden Busunglück eine Fraktur des Rückgrats; die Folge waren 22 Operationen, eine Fehlgeburt, Kinderlosigkeit und die Amputation eines Beins; ihre Ehe mit dem um 20 Jahre älteren Muralisten Diego Rivera war geprägt von stürmischen Kämpfen, Affären und Alkohol, aber auch vom gemeinsamen politischen Engagement für den Kommunismus. Frida Kahlos kurzes Leben wurde zur Kunst. Sie war getrieben von einer unvergleichlichen Vitalität, die sich in obsessiven Selbstdarstellungen, revolutionärem Eifer und im feurigen Bekenntnis zu ihrer mexikanischen Identität niederschlug. Frida Kahlo malte ihre Wirklichkeit ohne Scham und ohne Zugeständnisse an Stilrichtungen, wenngleich die Farbintensität, Formenfülle und Symboldichte ihrer Bilder fantastische, magisch-realistische und surreale, sowie naive und folkloristische Elemente erkennen lassen und an die alten Indiokulturen ebenso wie an den Jugendstil erinnern.
Wie wird das Tanztheater Frida Kahlos gefärbter Welt gerecht? Was erzählen ihre Bilder? Was wissen wir über die Verbindung von Leid und Kreativität? Kann Kunst trösten, heilen? Im Verbund von Psychologie, Psychotherapie, Tanz, Choreografie, Dramaturgie und Ausstattung spürt das Atelier Gespräch diesen Zusammenhängen nach.
Atelier Gespräch: Nathan der Weise – Toleranz wider Willen

2. Oktober 2024, 18.00 Uhr
Säulenfoyer, Schauspielhaus Salzburg
Erzabt-Klotz-Straße 22
In Kooperation mit dem Schauspielhaus Salzburg
Sabine Coelsch-Foisner im Gespräch mit dem Regisseur Jérôme Junod und dem Rechtsphilosophen Stephan Kirste (Fachbereich Völkerrecht, Europarecht und Grundlagen des Rechts, Rechts- und Sozialphilosophie, Universität Salzburg)
Im Anschluss um 19:30 Uhr findet eine Vorstellung statt. Tickets dafür können Sie im Kartenbüro des Schauspielhauses reservieren: +43 662 808585
Vorstellungen: 19.9. / 22.9. / 24.9. / 26.9. / 28.9. /30.9. / 2.10. / 3.10. / 4.10. / 6.10. / 7.10. / 9.10. / 11.10. / 12.10. / 15.10. / 17.10. / 18.10. / 25.3. / 27.3. / 28.3. / 29.3. / 31.3. / 2.4. / 3.4. / 4.4. / 6.4. / 8.4. / 9.4.
Nathan der Weise, ein fünfaktiges Ideendrama, wurde 1779 veröffentlicht und 1783 in Berlin uraufgeführt. Es ist Gotthold Ephraim Lessings (1729 – 1781) letztes Werk und spielt im Jerusalem des 12. Jahrhunderts zur Zeit des dritten Kreuzzugs, als gerade Waffenstillstand herrscht. Im Mittelpunkt steht der reiche jüdische Händler Nathan, dessen Pflegetochter Recha von einem jungen christlichen Tempelherrn aus dem Feuer seines brennenden Hauses gerettet worden ist. Dieser wiederum verdankt sein Leben dem muslimischen Herrscher Jerusalems, Sultan Saladin, der ihn als einzigen von zwanzig Gefangenen begnadigt hat, weil er seinem verstorbenen Bruder Assad ähnlich sieht … Gelingt das Miteinander von Christen, Muslimen und Juden? Was sind die Voraussetzungen und die Konsequenzen des Toleranzgedankens, der in der Ringparabel im dritten Akt bildlich Ausdruck findet?
Als Lessing den Nathan schrieb, versuchte er sich damit gegen staatliche und kirchliche Zensurversuche zur Wehr zu setzen und verfasste einen bis heute ebenso aktuellen wie bestürzenden Entwurf einer utopischen Gesellschaft der Aufklärung und Toleranz, ohne die Gefährdungen einer solchen Welt auszuklammern. „Religion ist auch Partei“ – sagt der Tempelherr. Dieser Satz war im 18. Jahrhundert provokant und er ist es heute mehr denn je. Wie reagiert das Theater auf diese Provokation? Und wie lässt sich Nathans Erzählung von den drei Ringen, die dem jeweiligen Träger gleich viel Glück bringen sollen, sofern dieser daran glaubt – diese ‚europäische Toleranzidee‘* – auf aktuelle Forderungen nach Toleranz angesichts traumatischer Erfahrungen mit Intoleranz umlegen?
Sabine Coelsch-Foisner „Religion ist auch Partei“. In Atelier Gespräche I. Salzburg: Anton Pustet, 2011. 116-129
*Heinz Schmidinger, Toleranz – auch eine Geschichte Europas. Basel: Schwabe, 2024